Es war einmal... So fangen alle Märchen an und manchmal auch Berichte über Begebenheiten, die keine Märchen sind. In diesem Fall über ein Go-Turnier, also:
Es war einmal mein erstes großes Go-Turnier in Köln. Die schlechte Organisation aller Go-Turniere (die letztlich doch immer ziemlich glatt laufen) bekam ich bereits lange im Vorfeld zu spüren, als ich bei der Online-Anmeldung angegeben hatte, dass ich gerne bei einem in Köln wohnendem Go-Spieler für die zwei notwendigen Übernachtungen (Samstag und Sonntag wurde gespielt, ich musste wegen der mehrstündigen Anreise schon am Freitag anreisen) unterkommen würde. Antwort? Haha! Niemals! Da mussten andere Lösungen her: Zum Glück hatte ein Freund von mir Bekannte in Köln bei denen wir schlafen konnten.
Nach der Anreise mit Bahn, S-Bahn und Straßenbahn zur Wohnung der Bekannten meines Freundes wurde natürlich sofort viel Go gespielt; vielleicht mehr als schlaftechnisch gesehen sinnvoll gewesen wäre.
Am nächsten Morgen machten wir uns also ziemlich müde per Straßenbahn auf den Weg zum Spielort. Ein paar Mal im Kreis um das Gebäude herum, fanden wir dann doch noch den Eingang und nach gefühlten 1000 Treppenstufen gelangten wir ins oberste Stockwerk, wo gespielt wurde.
Mein Freund und mein Go-Lehrer mit seiner Familie schienen irgendwie fast alle Anwesenden zu kennen... Etwas verlegen und verunsichert machte ich einfach immer das, was mein Freund machte. Endlich (nach einiger Verspätung) werden dann die Paarungen der ersten Runde laut vorgelesen. Normalerweise werden sie einfach ausgedruckt und an die Wand gehängt, aber der Drucker verweigerte leider gerade zu diesem ungünstigen Zeitpunkt seine Dienste.
Mein Go-Lehrer hatte mich mit 9 kyu angemeldet, was ich für viel zu stark hielt, weil ich bei einem kleinen Turnier in unserer Go-Gruppe ein paar Monate vorher noch als 14 kyu gespielt hatte. Somit war ich sehr gespannt wie stark mein erster Gegner sein würde. Da das Ganze aber vorgelesen wurde und es wohl zu aufwendig gewesen wäre, alle Spielstärken mitzulesen, musste ich mich damit begnügen davon auszugehen, dass mein Gegner wohl grob die gleiche Spielstärke haben musste wie ich.
Sofort in der ersten Ecke baute ich ziemlichen Mist und wünschte insgeheim meinem Go-Lehrer schon viel Pech für die erste Partie als Bestrafung dafür, dass er mich so überschätzt hatte. So ging es auch die ganze Partie über: Ich dachte überall alles falsch zu machen, doch wie der Zufall es so will (im Märchen gelingt dem Held ja auch oft nur alles durch Zufälle), gewann ich die Partie am Ende doch noch mit ca. 15 Punkten! Die zweite Partie war ein Kinderspiel (mehr als 40 Punkte gegen einen 9 kyu); noch jetzt denke ich mit Wohlwollen daran. Somit war es vielleicht ganz gut, dass ich die letzte Partie am Samstag dann gegen einen 8 kyu doch recht eindeutig verlor. Sonst wäre ich ja vielleicht noch überheblich geworden!
Sehr interessant war auch eine aus Korea angereiste Profi-Spielerin, die eine von meinem Freund verlorene Partie analysierte. Ich verstand weder die Züge meines Freundes (weil er viel stärker spielt als ich) noch die Kommentare und Tipps der Profispielerin. Am Abend hatte dann die Familie, wo wir schliefen noch tolles Essen für uns vorbereitet. Danach wurden noch lange die am Tag gespielten Partien besprochen, und mein Freund sagte mir, dass ich natürlich alles falsch gemacht hatte. (Ich hatte doch 2 von 3 Partien gewonnen? Alles wird doch nicht falsch gewesen sein, oder?)
Am nächsten Tag war die erste Partie dann der absolute Höhepunkt: Ich verlor mit einem halben Punkt! Ich konnte es nicht fassen... Somit reichte es trotz
des Sieges in der letzten Runde leider nicht für einen Buch-Gutschein, den jeder Teilnehmer mit 4 oder 5 Siegen bekam. Insgesamt konnte ich aber auf jeden Fall zufrieden mit meiner Leistung sein.
– Vielleicht hatte der böse Go-Lehrer, der mich mit 9 kyu angemeldet hatte, vielleicht doch das Richtige gemacht?
Für mich eigentlich am besten waren natürlich die Partien selbst. Ganz einfach weil die fünf Partien in Köln im Prinzip die ersten Partien waren, bei denen ich mir wirklich viele Variationen überlegt habe. Die waren sicherlich nicht immer sinnvoll, aber das ganze hat mir für mein Stärker-Werden sehr viel geholfen.
Nach einigen weiteren Turnieren kenne inzwischen auch ich viele der Spieler, muss mir nicht von meinem Freund tausend fremde Namen vorsagen lassen und muss keine Angst mehr haben, irgendetwas falsch zu machen, weil ich nun weiß, dass man bei einem Go-Turnier eigentlich nichts falsch machen kann.
Und so endet die Geschichte auch wie ein Märchen:
Und wenn ich nicht gestorben bin… – Dann spiele ich noch heute Go-Turniere!